Nancy Vieira

Melancholie, Leichtigkeit und eine starke Stimme

5. Juli 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Die Musik der Kapverden. Das sind die melancholischen Lieder der Morna, die von der UNESCO 2019 als Weltkulturerbe geadelt und von Cesaria Evora weltweit bekannt gemacht wurden. Eine völlig andere Stimmung verbreiten die fröhlich luftigen Tänze mit afrikanischen Wurzeln wie die Coladeira und die Funaná. Nancy Vieiras Stimme vereint all diese Rhythmen der Inseln, nimmt aber auch Einflüsse aus Portugal und Brasilien auf.
Text: Martin Steiner

„Cabo Verde, nha alegria, Cabo Verde, nha tristeza“, singt Nancy Vieira im Lied „Tristalegria“ auf ihrem 2011 publizierten Album No Amá – „Kapverden, meine Freude, Kapverden, meine Traurigkeit“. Besser könnte ein Refrain die Gefühle der Menschen der Inselgruppe im Westatlantik nicht beschreiben. Die Lebensfreude, das Licht und die Liebe zu ihrer Heimat kontrastieren mit der Armut eines großen Teils der Bevölkerung und dem Heimweh der vielen Ausgewanderten. Diese steuern noch immer gut ein Fünftel des Bruttoinlandprodukts der Inseln bei. Da ist die karge Landschaft mit ihren schroffen Bergen, auf deren Abhängen die Bauern Zuckerrohr, Bananen und etwas Wein anbauen. Eine weitere Einnahmequelle ist der bislang eher spärliche Tourismus. Der Archipel war auf gewisse Weise schon immer weltoffen. Im 19. Jahrhundert blühte der Salz- und Kohlehandel. Traurige Berühmtheit erlangten die Kapverden im 16. Jahrhundert als wichtiger Umschlagplatz beim transatlantischen Sklavenhandel und vierhundert Jahre später mit einem Konzentrationslager während der Salazar-Diktatur.

Nancy Vieira wurde 1975 in Guinea-Bissau geboren, wo sich ihre kapverdischen Eltern dem marxistischen Freiheitskämpfer Amílcar Cabral angeschlossen hatten. Vier Monate danach, nachdem auf dem Archipel die Unabhängigkeit ausgerufen worden war, zog die Familie zurück nach Praia auf der Insel Santiago. Vierzehn Jahre später wurde ihr Vater als Botschafter der Kapverden nach Lissabon berufen, wo Nancy seitdem lebt.

Nancy Vieirax

Foto: Augusto Brazio

Nancy Vieiras neues Werk verströmt all die Facetten der Kulturen und der Musikschaffenden, von denen sie beeinflusst wurde. Nicht zufällig taufte sie das Album Gente („Leute“) und griff wieder auf eine große Zahl beachtlicher Autoren und Autorinnen ihres Kulturkreises zurück. Da ist beispielsweise Amélia Muge, die das Album koproduziert hat. Die in Angola aufgewachsene Sängerin ist eine der kreativsten Liedermacherinnen Portugals, wo sie seit 1975 lebt. Einer der Höhepunkte des Albums ist denn auch das Gesangsduett bei Muges ins Kreolische übertragenem „Rosa Sábi“. Im Lied „Singa“ nimmt Vieira uns im Duett mit dem guinea-bissauischen Gitarristen und Liedermacher Remna Schwarz auf eine wunderbar beschwingte Reise nach Afrika mit. Weitere Akzente schaffen unter anderen auch die kapverdischen Multiinstrumentalisten des Musikerkollektivs Acácia Maior von der zum Archipel gehörigen Insel São Vicente und der Liedermacher Mário Lúcio.

Nancy Vieiras Stimme war noch nie so ausdrucksoll wie auf Gente. Sie bringt die Morna-, Coladeira-, Funaná- und Fado-Crioulo-Rhythmen der Lieder ihrer Freundinnen und Freunde zu voller Blüte. Nancy Vieira ist eine wichtige Kulturbotschafterin der Musik der Kapverden.

nancyvieiramusic.com

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Aktuelles Album:

Melancholie, Leichtigkeit und eine starke Stimme
Nancy Vieira

Gente (Galileo MC, 2024)

Aufmacherbild:

Foto: Augusto Brazio

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